Jubiläum des CVJM Erlangen im Jahr 2016 – Ein Auszug aus dem MagAZin
111 Jahre zu bestehen ist keine Selbstverständlichkeit!
111 Jahre CVJM in Erlangen ist für uns ein dankbarer Blick zurück und ein hoffnungsvoller Blick nach vorn. Seit 111 Jahren gibt es Menschen, die im Vertrauen auf Gottes Zusage für ihre Stadt und für die Welt aufgebrochen sind und Neues wagten, um „das Reich ihres Meisters unter jungen Menschen auszubreiten“ (Pariser Basis des YMCA). Besonders in schwierigen und dunklen Zeiten steckt darin die Hoffnung, dass auch die nachfolgende Generation eine Zukunft hat. Gottes bunter Bogen steht über unserer Welt (Gen. 9, 13f)!
111 Jahre CVJM in Erlangen – man kann es schon als „Widerspruch in sich“ empfinden, wenn ein Christlicher Verein Junger Menschen auf (s)eine 111-jährige Geschichte zurückblickt. Gewiss gibt es im CVJM Wichtigeres als nostalgische Rückschau. Gleichwohl ist der Rückblick wichtig: in Erinnerung an die „Väter“ und „Mütter“ im CVJM seine Entwicklungen zu verstehen, Fehler zu verzeihen und mutig neue Wege zu gehen.
Bibelkreis und Posaunenchor standen am Anfang
Der 10. April im Jahr 1905 war ein Montag und der hundertste Tag des Jahres. Im Haus des Wilhelm Wießner, im Gebäude „Gerberei 11“, das schon lange nicht mehr existiert, kamen seit fast einem Jahrzehnt jede Woche junge Leute zusammen, um einen kurzen Bibelabschnitt zu besprechen und auch regelmäßig die Bläser eines kleinen Posaunenchores. An diesem 10. April jedoch schritten sie nach langjährigen (!) Überlegungen und nicht geringen Schwierigkeiten von dritter Seite (!) endlich zur Tat: sie gründeten den Christlichen Verein Junger Männer. Tatsächlich erfolgte diese Gründung relativ spät: Weltweit gab es bereits 7320 Vereine. Zwei Wochen danach fand in Paris bereits die 16. CVJM-Weltkonferenz statt und im November des Jahres 1905 verstarb der YMCA-Gründer George Williams in London.
Hohe Mitgliederfluktuation
Wie noch heute gab es in den ersten Jahren ständig Raumnöte. In der Gerberei fand die Jugendarbeit statt, die damals allerdings erst mit dem 13. Lebensjahr begann. In einer Gaststätte in der Apfelstraße fand die übrige Vereinsarbeit statt, meist mit Studenten und Wehrpflichtigen. Ständiges Kommen und Gehen war die Folge, da Studenten nach Abschluss ihres Studiums Erlangen wieder verließen und die jüngeren Jahrgänge zum Wehrdienst einberufen wurden.
1911 wechselt das Vereinslokal in die Luitpoldstraße 6. Im Laufe des Jahres wird mit Otto Wolfer ein erster Hauptamtlicher angestellt. Er hat gute Kontakte in die Pfadfinderschaft und gründet eine Gruppe CVJM-Pfadfinder und ist Mitgründer des Bayerischen Christlichen Pfadfinderbundes. Der ehemalige Erlanger Bürgermeister Friedrich Sponsel beschreibt 1955, zum Anlass des 50-jährigen Jubiläums: „Durch den Weltkrieg 1914 – 18 erfolgte ein tiefer Einbruch (…). Ein Großteil der Mitglieder und der Vorstandschaft wurde zum Waffendienst eingezogen; 18 Mitglieder brachten ihr Leben zum Opfer.“ An sie erinnert eine Gedenktafel im Saal des heutigen CVJM-Hauses in der Südlichen Stadtmauerstraße.
Vereins- und Lehrlingsheim erworben
Das erste eigene Vereinsheim war das Eckgebäude Friedrichstraße 1 – direkt gegenüber der Neustädter Kirche. Mit dem Kauf vom Gewerbeverein war die Auflage verbunden, das in diesem Haus betriebene Lehrlingsheim gleichzeitig in seine Verwaltung mit zu übernehmen. „Die recht lose Verbindung zwischen Verein und Lehrlingsheim erwies sich in den Folgejahren aber als recht beschwerlich“, so Friedrich Sponsel in der Festschrift weiter.
Bibel, Bildung, Sportprogramme
Bibelstunden, gemeinsame Gottesdienste, Vorträge und Bildungsveranstaltungen, Wanderungen und Freizeiten bildeten das reichhaltige Programm. Ein erstes „Landheim“ in Lützelsdorf/Fränkische Schweiz wird erworben. Die Wandervogelbewegung und „Leibesübungen“ im Hallenturnen bestimmten das Programm, Leichtathletik, Faustball und Handball kamen später hinzu. Kein Wunder, dass der Vereinsvorstand 1920 den bislang gepachteten Sportplatz am Röthelheim erwarb, um die sportlichen Aktivitäten noch auszudehnen.
Festumzug zum 25-jährigen
In Fahrtenkluft und mit Fahrtenwimpeln wird 1929 Sekretär Schulz auf dem Erlanger Bahnhof zünftig verabschiedet. Sein Nachfolger Clemens Köhler richtet das 25-jährige Jubiläum aus: ein Gottesdienst in der Neustädter Kirche mit Universitätsprofessor Paul Althaus, ein großer Festumzug durch die Stadt, ein öffentlicher Festabend im Redoutensaal und ein Lager („CVJM-Thing“) auf dem Sportplatz am Röthelheim.
Euphorie erlosch schnell
Nationale Begeisterung und das Ringen um die Existenz prägen die Jahre zwischen 1933 und 1945. Erstere zeigt sich z. B. bei der Renovierung des Landheimes, das „am Tag, da unser Reichskanzler Geburtstag feierte“ (Mitteilungsblatt Mai) in Gebrauch genommen und in dem ein „Deutschlandzimmer“ in den Nationalfarben gestrichen wurde. Auch der Leitartikel der Juni-Ausgabe schreibt unter dem Titel „Pfingsten“: „Neues Leben ist in Deutschland angebrochen…“
„Die Euphorie der Monate Mai und Juni 1933 ist wie weggeblasen, als man vom (Eingliederungs-) Vertrag zwischen Kirche und HJ hört“ fasst Günter Renner, Autor eines Beitrages in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum einen Artikel aus dem CVJM-Anzeiger Januar 1934 zusammen. Im Februar wird dann auch die Jugendabteilung des CVJM in die Hitlerjugend überführt.
Angst vor Entdeckung und Rüge
Im Sommer 1935 erwirbt der CVJM die Südliche Stadtmauerstraße von der Schlaraffia, die Friedrichstraße wird verkauft. Überfälle durch die Hitlerjugend, Zerstörungen von CVJM-Eigentum und die Störung von Bibelstunden sind nun an der Tagesordnung. „Als (…) nur noch ein verlorenes Häuflein sich unter Anleitung einiger mutiger Männer der Hauptabteilung heimlich zur Bibelstunde und Freizeitgestaltung zusammenfand, (…) da hatten wir eine gehörige Portion Angst, entdeckt und entsprechend in Schule, Beruf und HJ gerügt zu werden“ beschreibt Friedrich Sponsel seine Erinnerungen in seinem Grußwort zur 75-Jahr-Feier.
Kirche gibt Starthilfe
Bereits 1946 konnte aufgrund der Bemühungen einiger älterer Mitglieder, des Dekans Künneth und des Stadtpfarrers Wilhelm Berger die Arbeit wieder aufgenommen werden. Alfred Fild wurde als Generalsekretär nach Erlangen berufen und begann, die Arbeit mit Kriegsheimkehrern wieder aufzubauen. Ein Jahr später erscheint bereits wieder der Monatsanzeiger in einer Auflage von 1200 bis 1500 (!) Exemplaren, oft nur mit wenigen Seiten. Jungschar und Jungenschaft florieren, Stadtheim-Baracke und Waldheim werden errichtet. Wilhelm Berger wird Vorsitzender und bleibt dies 22 Jahre lang bis 1968. „Papa“ Fild geht 1965 in den Ruhestand. Ernst Herbert „beerbt“ als damals jüngster den damals ältesten CVJM-Sekretär in Deutschland. Die gesellschaftliche Situation prägt auch die CVJM-Arbeit: aus der Jugendevangelisation wird ein „go in beim cvjm“.
„One-Way“ prägte eine Generation
1970 folgen gleich zwei Sekretäre: Jürgen Pianka und Wolfgang Hagemann. Pläne zum Waldheim-Umbau oder -verkauf werden geschmiedet und wieder verworfen. Schließlich erwirbt der CVJM eine ehemalige Landschule im Steigerwald. Vorsitzender ist Gerhard Löffler – nach ihm wird später dieses Haus benannt. Schülerbibelkreise laden zum CVJM ein, die Jugendarbeit wächst, unter der Bezeichnung „One Way – Jesus der einzige Weg“ finden evangelistische Jugendabende statt, die gut besucht sind. Für die Jüngsten geht es ins Römer-, Ritter- oder Kosakenlager. Seit Anfang der Siebziger führt der Posaunenchor Konzertreisen ins europäische Ausland und nach Israel durch.
Sportliche Erfolge und ein neues Freizeitheim
Der Tod von Pfarrer Gerhard Löffler überschattet das Jahr 1975, es folgt Pfarrer Wilhelm Friedrich Schott. Das Siebzigjährige Vereinsjubiläum wird mit einer Festwoche gefeiert. Jugendliche aller Altersklassen sammeln Altpapier. Das brachte damals richtig Geld und unterstützte den klammen Verein bei der Finanzierung seines neuen Freizeitheims in Stierhöfstetten. Auch sportlich ist viel los: die Volleyballerinnen werden Vizemeister der Regionalliga Süd, Tischtennisabteilung und Basketballer erringen Meistertitel. 1986 wird die Rückkehr vom Hugenottenlager zu einem Triumphzug durch die Stadt. Mit zwei Pferdewagen, in selbst gefertigte historische Gewänder gekleidet, ziehen die Kinder nach Erlangen hinein. Auf dem Schlossplatz werden sie von Bürgermeisterin Ursula Rechtenbacher offiziell empfangen.
Partnerschaften intensiviert
1991 schließen Martin Germeroth (Sekretär) und Werner Russow (1. Vorsitzender) die erste Partnerschaft mit dem KFUK/KFUM Eskilstuna. Sie besteht bis heute. Die Abschlussfeier des 35-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Erlangen-Eskilstuna findet unter Beteiligung vieler Erlanger Vereine im CVJM-Camp Solvik statt. Das Engagement für den CVJM-Weltdienst wird ständig ausgebaut. Steht zunächst Peru im Focus, verlagert sich der Schwerpunkt zur Jahrtausendwende nach Ecuador. 2003 findet ein erster Gegenbesuch durch Mitarbeiter aus Ecuador statt.
It´s fun to stay at the YMCA…
An den Veranstaltungen zum 1000-jährigen Stadtjubiläum ist auch der CVJM mit etlichen Veranstaltungen beteiligt. Unvergessen ist der Festzug durch die Stadt, an dem alle Gruppen und Abteilungen teilnehmen. Mit ihren orangen T-Shirts fallen die CVJMer auf. Vom Wagen der Basketballer dröhnt der alte Schlager „YMCA“ und jedem Erlanger ist klar, wer da kommt. „It´s fun to stay at the YMCA…“
Zum 100-jährigen CVJM-Geburtstag erscheint 2005 eine 120-seitige Vereinschronik. Am Gründ-ungstag findet ein Dank- und Festgottesdienst in der Neustädter Kirche statt, es gibt Aktivitäten für Kinder und Jugendliche auf dem Schlossplatz, den Bezirksposaunentag und eine Open-Air-Konzertreihe im CVJM-Hof.
Veränderungen erfordern Umdenken
Die gesellschaftlichen Veränderungen des 21. Jahrhunderts bringen auch Veränderungen in der Jugendarbeit. Die Ganztagsschule fordert andere Gruppenkonzepte, die traditionelle Jungschargruppe wird von weniger Kindern besucht. Freizeiten für Jugendliche finden zunehmend im Ausland statt, neben der Jungscharfreizeit etabliert sich ein neues Angebot: das Daycamp als Betreuungs- und Ferienangebot für die Kinder berufstätiger Eltern. Mit der Jugendsportwoche wird weiteres Neuland betreten: „Fit4Life“ bietet Action und coole Trendsportarten, aber auch Chillout und den Talk zu Lebens- und Glaubensfragen.
Mitfeiern, mitmachen, mitkommen
111 Jahre CVJM in Erlangen – das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Grund zum fröhlichen Feiern! Dies wollen wir tun und laden herzlich zum Mitfeiern ein. Darüber wollen wir aber nicht den Zweck unserer Arbeit vergessen. Die Gründer des CVJM fanden es als herzlichen Wunsch und auch als heilige Pflicht, anderen Jünglingen unserer Stadt zu dienen, d. h. sie dem hinzuführen, der gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.
Werner Russow, Redaktionsmitglied